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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


RALF TURTSCHI Dass ich von Zeit zu Zeit unverträglich bin, lesen Sie, liebe Leserinnen, hier alle zwei Monate. Unverträglich heisst hier so viel wie unpässlich; wenigstens passiert mir das nicht wie Ihnen jeden Monat. Ich leide. Und wie ich leide. Kaum ist man eine Stunde draussen, juckts in den Augen, die Nase fliesst und die Augen schwellen an. Nicht, weil die Minis der Mädchen dort aufhören, wo die Hosen der Hip-Hopper beginnen – die Frühlingslust erstickt in Myriaden von Pollen. Dieselruss, Feinstaub, CO2, Prionen und andere Partikel kümmern mich nicht so sehr wie gemeine Gräserpollen.

Allerdings bin ich damit noch gut bedient. Unsere Freundin Anna schrieb kürzlich über ihre Zöliakie, nicht zu verwechseln mit dem Zöliakt (verbreitetes Spiel innerhalb der katholischen Kirche). Nein, nein, darunter versteht man eine Unverträglichkeit von Gluten im Essen. Gluten ist der Oberbegriff von Kleberei­weissen, die vor allem in Getreide, also auch im Mehl, vorkommen. Bei sehr vielen Grundnahrungsmitteln und Fertigprodukten ist Gluten enthalten, so geht bei einer Unverträglichkeit das Vernaschen der geliebten Margherita vom Pizzablitz einher mit Hautrötungen und Darmausstülpungen der andern Art. Ausnahme bildet das zu Unrecht verpönte Tiermehl auf der Pizza Cadavera. Zusätzlich leidet die Ärmste noch unter einer ausgewachsenen Laktoseintoleranz. Laktose kommt als Milchzucker in allen Kuhmilchprodukten vor, also nicht in den geliebten Glarner Zigerstöckli, die, wie der Name suggeriert, von Zigen gewonnen werden. An diesem Beispiel sieht man wieder einmal, wie wahr die Werbung ist: Milch macht schwach.

Viele von uns Publishern leiden ja mehr oder weniger an irgendeiner Feld-Wald-Wiesen-Insuffizienz. Gegen die EURO 2008©®TM mit der befohlenen Ausgelassenheit innerhalb der Public-Viewing-Zonen kann man durchaus allergisch reagieren. Mir wurde der Zutritt mit einem gelb-roten Feldschlösschen-Leibchen bereits verwehrt und die mitgebrachten Pepsi-Flaschen wurden kurzerhand konfisziert. Die Austragungsorte der ­EURO 2008©®TM werden in EURO©®TM-freie ­Zonen, EURO©®TM-freierzonen und in EURO©®TM-feierzonen aufgeteilt – mit sicht- und urindichten Schutzzäunen umstellt. SMS auf der letzten Fanmeile von Swisscom funktioniert länderübergreifend nur mit Bewilligung des höchsten EURO©®TM-Funktionärs, Sepp ­Blattini. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall habe ich eine ausgesprochene Rasen-Abneigung, nicht wegen der Pollen, sondern weil ich im Fernsehen die Tschütteler beim fortwährenden Befeuchten des Rasens mittels hochgezogener Rotze beobachte. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob der Fernsehregisseur diese spuktakulären Auswürfe bewusst ins Bild rückt. Zum Glück werden die guturalen CH-­Laute beim Hochziehen nicht auch noch in HD-Quality übertragen.

Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass der Fussball geradezu davon lebt. Spuckaffären versprechen in den Soapmagazinen mindestens eine so gute Quote, wie wenn Charles mal im Gebüsch prinzelt. Ob beim rituellen Bespeuzen des Green Gegner, Zuschauer oder Schiris anvisiert werden, kann nicht mit ­Sicherheit gesagt werden, zweifellos geht auch mal ein Schuss daneben – mitten ins Gesicht. Vergleichbar ist das Ritual des Spuckens nur mit dem automatischen Auswerfen der Kaugummis vor McDonald’s-Filialen, wo sie auf dem Teerbelag ein unverkennbares helles Punktmuster verursachen. Wenigstens einen Vorteil haben Fussballfelder, deren Gräserpollen sind fluguntauglich klebrig eingeschleimt.

Abzuklären bleibt, ob die gelbliche Rotze auf den Fussballplätzen einen ebenso dicken Belag bildet und ob die schleimige Masse gewisse Erreger wie Dünnpfiff-Bakterien auf Schiedsrichter übertragen. Die selbstreziplierenden Viren (lat. virus, Gift, Saft, Schleim), die den Rasen zum Schlamm aufweichen, bilden einen idealen Nährboden für die gefürchtete Anopheles, die das Sumpffieber überträgt. Euro­spucke ist demnach schnell übertragbar mit einer Inkubationszeit von wenigen Augenblicken. Kein Wunder, bekreuzigen sich viele der kickenden Jünglinge ob der drohenden Gefahren, sobald sie den Rasen betreten. Hopp Schwiiz!

Ich würde auf jeden Fall die Fussballschuhe nicht mehr selbst waschen, obwohl es dafür speziell schleimlösende Mittel mit pH-Wert 2 gibt (K-Tipp Nr. 35/2007). Wie man weiss, hat Novartis in Bern den bestehenden Kunstrasen mit dem Zürcher Rasen vom Typ Coop Naturaplan ersetzt. Novartis will in diesem gross angelegten Speichel-Freisetzungsversuch die vermischte DNA aller Rassen, sozusagen die Ur-DNA destillieren.

Bei einem andern Versuch kommt mir nicht der Choder, sondern die Galle hoch. Wie viele Allergiker habe ich die Subprimekrise in den USA über die Medien mitverfolgt. Die Börse reagierte ebenfalls verschnupft, was noch ein Weilchen so bleiben dürfte. Nach guter Traditioneller Chinesischer Methode (TCM) wird die Grossbank mit dem Vertrauensproblem das Ganze mit dem glatten Anwalt an der Spitze auskurern. In homöopathischen Dosen wird die Bank zur Ader lassen, zuerst 500 Stellen da, dann 500 dort. Derweil die boniträchtige Gewinnzone bald wieder erreicht werden dürfte. Kein Grund zur Sorge, denn die obersten Manager werden durch die Pauschalbesteuerung nicht arg darunter zu leiden haben.